And I drowned in Peace

1. Platz der Gruppe: der 13 bis 14 jährigen Jungautoren 2012

Siehst du die Wellen? Wie sie sanft an die Klippen brechen und sich wieder
zurückziehen? Wie sie aufschäumen? Hörst du das wilde Rauschen? Spürst du den leichten Sprühregen an deinem Gesicht? Fühlst du diese schöne Ruhe. Oder das leichte Peitschen vom Wind?
Ich tat das alles. Ich sah, hörte und spürte es. Ich sah hoch zum Mond, fahl fiel er auf mein Gesicht. Tauchte mich in ein außergewöhnliches Silber. Und so wie ich hoch zum scheinenden Mond sah, erinnerte ich mich zurück an kleine Sachen. Und schloss meine Augen. Die erste Erinnerung kam.
Ich erinnerte mich an den Tag, als ich noch ganz klein war. Ich glaube, ich war drei. Da waren meine Familie und ich auf dem Flug nach Griechenland. Im Flugzeug musste ich unbedingt auf die Toilette, aber ich hatte Angst vor den Toiletten auf den Flugzeugen, weil ich dachte, sie würden mich einsaugen. Und so hatte ich auf den Sitz gepinkelt. Wir waren am Ende aus dem Flugzeug geflüchtet.

Und die zweite Erinnerung.

Einmal, da hatte ich einen riesengroßen Streit mit meiner Mutter morgens, bevor ich zur Schule ging. Ich ging weinend zur Schule, und als ich aus der Schule zurückkam, hatte ich Angst meiner Mama gegenüber zu stehen. Aber als ich vor ihr stand mit dem Gesicht zum Boden gewandt, zu verängstigt um zu ihr zu gucken, nahm sie mich einfach in ihre Arme und entschuldigte sich, ich entschuldigte mich auch. Ich erinnerte mich an kalten Tagen, wo es draußen Schneesturm gab und ich mit einem Kakao in einer Decke eingehüllt war und ein Buch las. An Tanzen im Regen. Schmetterlinge auf meinen Fingern. Lautstarkes Lachenwegen meiner Tollpatschigkeit. Meinen ersten Kuss. Meine erste Liebe und meine Letzte. Ich erinnerte mich daran, wie meine Mama meine Lieblingsspeise machte und ich vor Freude auf und ab sprang. Es waren Giouvarlakia, das leckerste Gericht in ganz Griechenland.
Ich erinnerte mich, wie mein großer Bruder manchmal etwas für mich gemacht hatte. Da war ich dann immer so glücklich. Oder wie meine Mitschüler meine Bilder in Kunst bestaunten, da hatte ich immer diesen aufwallenden Stolz auf mich. Dachte, ich wär doch zu etwas gut.
Ich umarmte immer sehr gerne meinen Papa. Er war wie ein riesengroßer Teddybär. Es waren immer diese Umarmungen, die einen vor alles beschützten. Meine Mama war immer so stolz auf mich, wenn ich etwas Gutes gemacht hatte. Und ich erinnere mich an die sanften Berührungen von ihm.
So viele schöne kleine und große Momente und Erinnerungen. Und jetzt stand ich hier, weil ich enttäuscht war. Von ihm. Noch einmal sah ich
hinunter. Die Wellen hatten einen silbernen Glanz vom Mond, so wundervoll unheimlich. Ich zog meine Jacke aus. Dann meinen Pullover, meine Hose… bis ich vollends ausgezogen war. Außer der Kette, die er mir an meinem Geburtstag geschenkt hatte.
Ich stellte mich an den Rand der Klippe. Fühlte die sanfte warme Brise. Lauschte zur Melodie vom Meer. Beruhigte mich. Jetzt sollte eigentlich ein Mann daher kommen und mich davon abhalten zu springen, so wie in den Büchern. Oder noch besser, er sollte kommen. Ich machte mich bereit, stellte mich in die Hocke, streckte meine Arme aus, nahm tief Luft… und sprang. Die Luft zischte an mir vorbei, ich flog, wie ein Komet. Blaue Schmetterlinge. Und ich fiel.
„Ich liebe dich.“ Und fiel. Lachte. Fiel.
„Du bist meine verrückte kleine Prinzessin!“
Durchbrach mit meinem Kopf die Wasseroberfläche. Tauchte ein.
„Wovon redest du?“
„Dass ich glaube, wenn man keine Gründe hat auf dieser Welt zu leben,
sollte das Leben einfach aufhören.“
„Ich verstehe dich nicht.“
„Sollte ich keinen Sinn in meinem Leben mehr sehen, würde ich es beenden.“
„Du meinst, Selbstmord?“
„Ja, es ist die einfachste Art, dem Leid ein Ende zu setzen.“
Das sagte ich zu ihm in unserer ersten Liebesnacht. Und ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen würde. Und jetzt geschah es. Die Wellen umarmten mich.
So sollte man sterben, friedlich und ohne Schmerz. Mit Erinnerungen. Schönen Erinnerungen.
Es gab früher mal Sinn in mein Leben, als er noch da war. Ich öffnete meine Augen, sah das Schwarze von dem Meer. Ob er wohl weiß, was er in mir angestellt hat. Ich glaube nicht. Ob er wohl weinen würde, wenn er erfahren würde, dass ich tot bin. Ob meine Familie weinen wird?
Weiß ich nicht.
Ich spürte, wie ich weiter sank. Warm. Ich sah, wie mein schwarzes Haar um mich herum tanzte. Fantasievoll. Ich hatte früher gern diese Reihe von dem einen Zauberer und dieser Zauberschule gelesen. Da konnte man in eine andere Welt eintauchen.
Die Luft zischte aus meinen Lungen. Er meinte, ich wäre wunderschön.
Jedes Mal, wenn er das sagte, wurde ich rot. Soll ich ehrlich sein, ich liebe ihn immer noch. So sehr. Langsam wird alles taub. Meine Lungen füllen sich mit Wasser. Und ich fühle mich komplett. Denn, jetzt sah ich ihn.
Seine ganze Perfektion. Sein weiches braunes Haar, seine unglaublichen braunen Rehaugen, sein markantes Kinn, die sinnlich geschwungenen Lippen, seine Wimpern, die wie Fächer waren. Und diesen Hass in seinem Gesicht. Es tut mir leid.
Und schloss meine Augen. Es war alles so schön schwarz. Und ich tauchte in die Schwärze. Immer tiefer. Umhüllte mich von ihr. Und verschwand für immer. Tschüss. Für immer.
Und ich ertrank in Frieden… von Irini Michali (14)

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