1. Platz der Gruppe, der 10 bis 11 jährigen Jungautoren 2019
Das Erste was ich an diesem Tag mitbekam war, dass sich das Weiche, worauf ich die ganze Nacht geschlafen hatte, auf einmal bewegte und ich unsanft mit meinem Kopf ins Gras plumpste. Ich wollte gerade empört meinen Kopf hochreißen, da berührte mich eine rosa Zunge und leckte mich behutsam ab. Zufrieden legte ich meinen Kopf wieder ins Gras, doch ich musste feststellen, dass es nur noch halb so bequem war wie zuvor.
Also stand ich auf und besah mir meinen Schlafplatz. Da war überhaupt nichts Weiches, nur meine beste Freundin Nora stand da und schaute etwas gequält .
,,Du hast die ganze Nacht auf mir gelegen“, muhte sie und schaute noch etwas gequälter, als sie das ohnehin schon tat.
„Ach komm schon“, entgegnete ich und schubste sie übermütig ins Gras. Dann jagte ich ausgelassen davon.
Naja, „jagen“ ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort dafür. Vielmehr sprang ich mit einem großen Glücksgefühl im Herzen kreuz und quer ausgelassen über die Wiese.
Nachdem Nora sich umständlich wieder aufgerappelt hatte, tat sie es mir nach und kam hinter mir her. Ich fühlte mich frei! So frei, wie man sich nur fühlen kann! Vor zwei Tagen waren Nora und ich von unserer Kuhherde weggelaufen. Bei denen war wirklich nie was los. Morgens fressen und schlafen, mittags schlafen und fressen und abends fressen und, vor dem Schlafen erzählten die älteren Kühe manchmal Geschichten.
Das war so furchtbar langweilig! Eindeutig nicht das, was wir uns für den Rest unseres Lebens vorstellen konnten. Wir wollten jetzt viel spannendere Sachen erleben.
Auf einmal hielt ich so abrupt an, dass Nora auf mich drauf fiel.
„Warum hältst du an“, fragte mich Nora.
„Ich möchte heute was richtig Spannendes erleben“, meinte ich und machte einen Luftsprung.
„Au ja“, freute sich Nora, „davor müssen wir jetzt auf jeden Fall aber erstmal frühstücken!“ – Typisch Nora… kann ich dazu nur sagen!
Daraufhin trotteten wir nebeneinander wieder zu unserem gemeinsamen Schlafplatz zurück.
Kaum eine halbe Stunde später machten wir uns dann auf den Weg, und schon eine kurze Zeit darauf kamen wir durch eine Düne. Es wuchs dort komisches Gras, das irgendwie nach Abenteuer schmeckte. – Fand ich jedenfalls. Auf einmal sah ich etwas in der Sonne glitzern.
„Schau mal Nora, da ist ja das Meer“, muhte ich begeistert und raste los. Schließlich wollte ich die Erste sein, die am Meer ankam.
Nora brauchte mal wieder etwas länger, um zu verstehen, dass es wirklich das „MEER“ war. Dann galoppierte auch sie los, doch sie konnte mich natürlich nicht mehr einholen.
Begeistert standen wir am Strand und schauten auf das glitzernde türkisfarbene Meer.
„Wir müssen mindestens bei Hawaii sein“, hauchte Nora fassungslos.
„Wir sind doch nicht bei Hawaii“, sagte ich etwas besserwisserisch,
„wir sind bei…ähm… vielleicht sind wir ja doch bei Hawaii“, fügte ich kurz hinzu, aber ob Hawaii oder nicht, auf jeden Fall war es wunderschön hier.
Der Strand war aus warmen, weichem Sand, der wenn man in die Luft springt, nach allen Seiten davon spritzt. Da sahen Nora und ich es nahezu gleichzeitig: Es sah aus, wie ein riesiges silbernes Ei. Ganz oben hatte es wie eine Dachluke.
„Komm Nora!“, rief ich, und schubste Nora in das seichte Wasser.
„Das müssen wir uns anschauen!“
Als wir an dem Ei angekommen waren, sahen wir, dass die Dachluke nur angelehnt war.
,,Silberne Eier sind sehr ungewöhnlich und überhaupt haben sie keine Dachluken“, muhte Nora ängstlich.
„Genau deswegen müssen wir da rein“, entgegnete ich und schubste Nora in das Innere von dem Ei, das seltsamerweise hohl zu sein schien.
„Das wird ein richtiges Abenteuer“, quiekte ich und folgte ihr flink.
Im Ei drinnen sah es irgendwie seltsam aus! An allen Seiten hatte es riesige Fenster, so dass man überall rausschauen konnte. Außerdem hatte es ein schwarzes Brett mit komischen Tasten darauf. Auf einmal schlug mit einem lauten Knall die Luke zu und Nora machte erschrocken einen Satz nach vorne. Genau dorthin, wo sich das schwarze Brett mit den Tasten befand, und sie landete natürlich mitten darauf! Ich wusste nicht, was das bedeuten sollte, aber plötzlich erschienen auf einer schwarzen glänzenden Scheibe seltsame Buchstaben. Ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, und natürlich konnte ich es auch nicht lesen. Es war schließlich gegen die Ehre einer Kuh, lesen zu können; das hat meine Großmutter einmal zu mir gesagt!
Auf einmal bewegte sich das Ei und Nora und ich fielen übereinander auf den Boden.
„Schau mal Nora, wir fahren“ jubelte ich, während Nora eher ängstlich dreinschaute.
,,Ist das nicht ein super Abenteuer,“ strahlte ich und das fand Nora dann schließlich auch – genauer gesagt blieb ihr ja auch nichts anderes übrig.
Wir schauten zusammen aus einem der Fenster und sahen jede Menge seltsamer Tiere. Eins war gelb und schwarz gestreift, und eins war ganz platt. Wenn wir irgendwann mal zu unserer Herde zurückgehen würden, müssen wir den anderen unbedingt hiervon berichten, nahmen wir uns vor. Doch so plötzlich, dass wir gar nicht darauf hätten vorbereitet sein können, hielt das Ei unvermittelt an.
,,Was ist denn passiert?“, fragte ich erschrocken.
,,Wir hängen im Riff“, flüsterte Nora, ,,wie kommen wir hier jemals wieder raus?“
Doch mir blieb keine Zeit, um eine Antwort zu geben, denn auf einmal ertönte ein pfeifendes Geräusch über uns.
Diesmal machte ich vor Schreck einen Satz nach hinten und durch diesen Ruck löste sich das Ei vom Riff.
,,Es geht wieder aufwärts!“, freute sich Nora.
Das wurde jetzt aber auch dringend Zeit, denn nun erst merkte ich, dass der Boden so langsam mit Wasser volllief.
Auf einmal wurde das Ei ruckartig in die Höhe befördert: Wir hingen in einem großen Fischernetz, das uns hinauf aufs Schiff zog. Dort wurden die Taue geöffnet und unser Ei purzelte polternd hinaus. Durch diese Erschütterung sprang die große Luke wieder auf und wir flogen in hohem Bogen aus unserem ungewöhnlichen Gefährt.
„Das sind ja zwei Kälbchen!“, wunderten sich die Männer.
„Die wurden vielleicht ausgesetzt“, überlegte der eine Mann.
„In einem kaputten U-Boot?“, meinte der Andere und schüttelte dabei ungläubig den Kopf.
„Die Erkennungsmarken am Ohr werden uns bestimmt helfen, den Besitzer von den Beiden zu finden“, sagte wieder der erste Mann.
Dann wurden Nora und ich in einen im Inneren des Schiffes gelegenen Raum geführt. Ungefähr eine halbe Stunde später brachten uns die beiden Männer wieder an Land und wir wurden gemeinsam in einen wenig komfortablen Anhänger verfrachtet. Eine gefühlte Ewigkeit und wahrscheinlich zig Telefonate später, setzte sich der Anhänger in Bewegung, und wir wurden wieder zurück zu unserer Herde gefahren, die wir endlich nach über zwei Stunden Fahrt erreichten.
Dort angekommen gab es ein großes Wiedersehen und alle freuten sich, dass wir wieder da waren. Aber auch wir beide freuten uns sehr, dass wir nach diesem großen Abenteuer nun endlich wieder bei unserer „langweiligen“ Herde waren. von Marie Violetta Hennige (11)