1. Platz der Gruppe: der 14 bis 16 jährigen Jungautoren 2012
Es war dunkel geworden und die meisten Menschen schliefen schon längst. Nein noch nicht alle. Ein Mädchen, ist aufgeblieben und erlebte gerade etwas, das ihr Leben verändern wird.
Es war eine ganz gewöhnliche Nacht. Joleica hatte sich rausgeschlichen, denn sie wollte sich mit ihrem Freund treffen. Sie war gerade dabei durch den Wald zu laufen, um pünktlich am Treffpunkt zu sein. Ihr Freund hatte gestern gesagt, dass sie sich an der Lichtung vor der Höhle im Wald der Nachtwesen, um zwölf Uhr Mitternacht treffen und sie hatte keine weiteren Fragen gestellt. Ihr Freund wählte immer mysteriöse Orte. Dieses Mal schien es aber irgendwie seltsam.
Leider bemerkte Joleica nicht, dass an der ganzen Sache etwas nicht stimmte. Ihr Freund, hatte ihr nicht gesagt wie sie dahin kommen konnte und jetzt wo sie mitten im Wald stand fiel ihr ein, das sie gar nicht wusste wo der Ort lag, an dem sie sich treffen wollten. Joleica verfluchte sich selbst, gab aber nicht auf und lief einfach weiter durch den Wald, in der Hoffnung den Treffpunkt zu finden. Plötzlich hörte sie ein eigenartiges Geräusch, es klang wie ein Schnauben, es schien direkt hinter ihr zu sein. Sie blieb stehen und lauschte, aber sich umzudrehen, wagte sie nicht. Sie spürte wie sich ein kaltes Etwas auf ihre Schulter legte, Panik stieg in ihr hoch, aber sie schaffte es dennoch ruhig zu bleiben.
„Wieso streifst du so allein durch den Wald der Wesen? Suchst du etwas? Wenn es so ist, dann sollte ich dich besser auf deinem weiteren Weg begleiten und dir helfen, wenn nicht würde ich dir raten sofort zu verschwinden. Aber eins lass dir gesagt sein mit mir bist du sicherer.“
Die Stimme klang krächzend und kratzend, wie eine Krähe spricht. Joleica überlegte kurz und dann antwortete sie:
„Gut, sie können mir beim Suchen helfen“, aber so ganz sicher ob dies die richtige Entscheidung war, war Joleica nicht. Das erinnerte sie an ihre Mutter, die immer gesagt hatte:
„ Manchmal muss man eben Entscheidungen treffen, die Wahl kann dir keiner abnehmen.“
Joleicas Mutter war bei einem Autounfall gestorben und seitdem zog sie sich immer mehr zurück. Deshalb ist sie oft allein und wird gemobbt, weil sie anders ist. Aber vor ein paar Tagen hat sie jemanden kennenlernte, der sie zu verstehen schien, dieser jemand war genau die Person die sie jetzt suchte, aber nicht fand. Die Stimme des Wesens riss sie aus ihren Gedanken,
„Gute Entscheidung meine Süße ich hätte genau dasselbe getan wie du.“
„Also gut, dann bring mich doch bitte auf die große Lichtung vor die Höhle.“
„Sehr wohl meine Süße.“
Die Redensweise und der Gedanke sich von diesem Wesen führen zu lassen
missfiel Joleica, aber es gab kein andere Möglichkeit, wenn sie den Ort jemals finden wollte. Das Wesen schob sie vor sich her durch Büsche und Sträucher, die
gespenstische Schatten warfen. Endlich standen sie auf einer Lichtung. Vor Joleica tauchte der Mond ein großes Monument eines Mädchens in gleißendes Licht. Joleica war überrascht, denn sie hatte bis jetzt nur Gerüchte gehört und dass diese Gerüchte wahr waren, verblüfften sie.
„Das ist nicht der Ort den ich gesucht habe“,
sagte Joleica enttäuscht. Sie drehte sich um und erschrak fast zu Tode. Der, der sie zum Monument geführt hatte und jetzt vor ihr stand, war kein Wesen, es war ihr Freund.
Er hatte sich verändert, er sah aus wie ein Wesen der Nacht. Seine Augen waren grünen funkelnd und sein Körper, glich der einer Tanne, nur das diese Tanne noch Hände wie ein Mensch hatte. Joleica war sprachlos und bevor sie sich versah, hatte der Tannenjunge sie schon fest in seinem Griff. Seine Stimme war nun mehr die eines Mädchens, säuselnd wie der Wind.
„Du hättest mir nicht vertrauen sollen. So eine Schönheit wie dich der Erde auch nur ein paar Minuten zu stehlen, ist eine schändliche Aufgabe.“
Joleica wurde in die Mitte der Lichtung zu dem Monument gezerrt, sie versuchte sich zu wehren, aber ihre Hiebe gingen ins Leere. Joleica bekam Panik und rief verzweifelt um Hilfe. Es nützte alles nichts. Sie spürte den kalten Stein des Monumentes hinter sich, sie schloss die Augen und betete. Der Druck ließ nach, sie konnte sich nicht mehr bewegen. Als sie die Augen öffnete, stand ihr Freund noch vor ihr, er hielt jetzt ein Messer in der Hand. Sie stammelte:
„Aber wieso?“
„Du wirst es schon noch verstehen.“
Mit diesen Worten fügte er ihr einen kleinen Schnitt an der rechten Wange zu. Joleica spürte das Blut an ihrer Wange herunter laufen. Der Junge sah ihr jetzt tief in die Augen, sie hatten sich verändert, sie waren nicht mehr grün sondern tiefblau. Joleica vergaß den Schnitt und gab sich dieser neuen Augenfarbe hin.
„Komm mit folge mir“, sagte er.
Joleica folgte ihm eine Treppe hinunter, die vor dem Monument aufgetaucht war. Sie führte hinunter in einen langen Gang, der sich am Ende in eine große Halle öffnete. Darüber lag eine riesige Kuppel. Es war staubig und roch modrig. In der Mitte des Raumes stand ein Kreis aus Tischen, die mit Gold verziert waren. Ringsum erstreckten sich Regale, die bis unter die prachtvolle Kuppel des Raumes mit Büchern gefüllt waren. Ihr Freund begleitete sie in die Mitte des Tischkreises. Dort sackte Joleica auf die Knie und verharrte. Er verschwand und der ganze Raum wurde in ein helles Licht getaucht. Joleica wurde geblendet. Als sie diesmal die Augen wieder öffnete, war sie von Menschen umgeben, die in Büchern blätterten und lassen. Joleica erstarrte, vor ihr stand ihre Mutter, wie konnte das sein, wenn sie vor acht Jahren gestorben war. Die liebevolle Frau die sie verloren hatte beugte sich nun über sie und lächelte. Sie half Joleica auf und nahm sie in den Arm. Der Schnitt an ihrer Wange verschwand wie von Zauberhand. Doch bevor sie fragen konnte ergriff Joleicas Mutter Judith das Wort.
„Mein Schatz ich weiß es gibt viele Fragen zu beantworten, aber ich will dass du weißt, das ich dich von Herzen liebe. Wieso lässt du dich denn immer von den anderen einschüchtern? Dumme Fragen über mich musst du nicht beantworten, es tut mir immer weh wenn ich dich von oben so niedergeschlagen sehe. Sei stark, ich bin immer bei dir, nur kannst du mich nicht sehn. Sieh mal da drüben, dass ist die Mutter von Bob. Sie ist auch schon gestorben, nur spricht er nicht darüber. Bob verarbeitet es in dem er andere, die anders sind hänselt.“
Ihre Stimme war so zart und weich, Joleica genoss jedes Wort.
„Oh Mama, ich wünschte ich könnte bleiben.“
„ Hör mir gut zu, wenn du dich an diesen Vers erinnerst, kannst du diesen Ort hier jederzeit wiederfinden und Zutritt erlangen. Ich werde immer für dich da sein und deine Fragen beantworten. Wenn der Wind weht sanft in Mondesnacht dann gib auf der Monumentenlichtung Acht: , ein kleiner Schnitt und du musst weinen, dein Liebster wird gleich bei dir sein.“
Damit schwand das Bild ihrer Mutter und Joleica fand sich in ihrem Bett wieder. In dieser Nacht träumte sie von vielen schönen Gesprächen mit ihrer Mutter an diesem Ort. Am nächsten Morgen als Schule angesagt war, war sie zwar erschöpft, hatte aber keine Angst wie sonst immer. Sie war glücklich. Den Vers hatte sie zweimal aufgeschrieben, einmal für sich und für Bob, der immer so gemein zu ihr war und sie mobbte. Ihr Vater war total verwundert, stellte aber keine Fragen über die Fröhlichkeit seiner Tochter, stattdessen freute er sich mit ihr.
In der Schule kam Bob in der Pause wie immer mit seiner Gang herüber, um seine Sprüche zu klopfen. Bevor Bob aber etwas sagen konnte zog sie den Zettel mit dem Vers aus ihrer Hosentasche: „Hier das ist für dich, er wird dir helfen über den Verlust deiner Mutter hinweg zu kommen; Anfangs wirst du es nicht verstehen, aber die Bedeutung wird dir noch klar.“ Mit diesen Worten überreichte sie ihm den Zettel, schenkte ihm ein Lächeln und ging zu den anderen Mädchen ihrer Klasse um mit ihnen zu reden.
Seit diesem Erlebnis, war sie mutiger und fröhlicher. Und ihre Mutter besuchte sie in der Bibliothek ihre ganze Kindheit hindurch bis heute. Ab und zu nimmt sie auch Bob mit. Mittlerweile ist sie mit ihm verheiratet und hat zwei Kinder: Judith, die elf Jahre zählt und Bettina, die zehn Jahre alt ist. Zusammen sind sie Familie Marisson. von Anne Herd (16)